Eine 73-jährige Patientin, die bereits seit 10 Jahren an Typ-2 Diabetes mellitus leidet, ist mit ihrem Gewicht unzufrieden und bedarf einer verbesserten Blutzuckerkontrolle. Eine Unterernährung mit Makronährstoffen in Kombination mit einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz verkomplizieren jedoch das Diabetes-Management.

Hintergrund

Eine 73-jährige Patientin wurde im Adipositaszentrum vorstellig, da sie an Gewicht zugenommen hatte und sich seither unwohl fühlte. Die ehemalige Raucherin litt bereits seit über 10 Jahren an Typ-2 Diabetes mellitus und erlebte im Rahmen einer aktiven Essstörung ein angespanntes Verhältnis zur Ernährung. Sie war frustriert, seit der Menopause trotz aller Anstrengungen zugenommen zu haben.

Anamnese und Diagnostik

Die körperliche Untersuchung ergab ein Gewicht von 79.6 kg bei einer Körpergrösse von 158 cm, was einem BMI von 32 kg/m² und damit einer Adipositas Grad I entspricht. Die Patientin meidet stärkehaltige Nahrungsmittel und nimmt keine richtigen Mahlzeiten zu sich, um Gewicht zu verlieren. Allerdings bewegt sie sich nicht genug – nur weniger als 4000 Schritte pro Tag.

Zusätzlich zum Typ-2 Diabetes mellitus litt die Patientin unter arterieller Hypertonie, Dyslipidämie und peripherer Polyneuropathie. Bei der Untersuchung waren der systolische und diastolische Blutdruck leicht erhöht mit einem Wert von 138/78 mmHg. Die Herzfrequenz lag bei 73/min. Eine Echokardiographie wurde nie durchgeführt, sodass keine Werte bezüglich links-ventrikulärer Ejektionsfraktion vorlagen. Der HbA1c-Wert betrug gemäss Laboruntersuchung 8.2% und der LDL-Wert 1.8 mmol/L. Die Füsse waren unauffällig und wiesen keine Deformation auf. Der Fusspuls war beidseitig positiv und die Vibrationsempfindung lag bei 1/4 linksseitig sowie 2/4 rechtsseitig.

Weiterhin hatte die Patientin bereits eine Niereninsuffizienz im Stadium 3b. Das Serumkreatinin lag bei 158 µmol/L und die Kreatinin-Clearance bei 40 ml/min. Der Albumin-Kreatinin-Quotient betrug 280 mg/mmol. Ein erhöhter Serumalbuminwert war nicht zu verzeichnen.

Therapie

Die Patientin erhielt bereits Sitagliptin (Januvia®, 50 mg), Metformin (500 mg, 2 x täglich) und Insulin Glargin (Lantus®, 28 UI) zur Behandlung des Typ-2 Diabetes mellitus. Die Hypertonie wurde mit Irbesartan/Hydrochlorothiazid (300 mg/25 mg) und die Dyslipidämie mit Rosuvastatin (5 mg) behandelt. Weiterhin erhielt sie Duloxetin (120 mg).

Um das Gewicht der Patientin zu stabilisieren und die Ernährungssituation zu verbessern, wurde ihr angeboten, eine Ernährungsberaterin zu konsultieren. Dies lehnte die Patientin jedoch ab. Zudem war die Patientin nicht zu motivieren, sich mehr zu bewegen.

Weiterhin wurde ihr die Umstellung der medikamentösen Behandlung empfohlen. So erhielt sie den GLP-1 Rezeptoragonisten Semaglutid (1 mg/s, steigende Dosen) anstatt des DPP-4 Hemmers Sitagliptin, um einen Gewichtsverlust zu begünstigen und den Blutzucker zu normalisieren. Daraus resultierte eine moderate bis schwere Protein-Energie-Unterernährung sowie gelegentliches Erbrechen mit leichter Verschlechterung der Nierenfunktion. Die Behandlung wurde daraufhin abgebrochen und durch Canagliflozin (Invokana®, 100 mg, 1 x täglich) ersetzt.  Die Therapie mit Insulin Glargin wurde abhängig vom Nüchternblutzucker titriert.

Gegenwärtige Situation

Nach sechs Monaten war der HbA1c-Wert auf 7.1% gesunken und der LDL-Wert lag stabil bei 1,8 mmol/L. Das Gewicht betrug 74.3 kg, was einem Verlust von etwa 5 kg entspricht. Die Patientin zeigte sich zufrieden mit dem Gewichtsverlust und der Normalisierung ihrer Blutzuckerwerte. Urogenitale Infektionen unter der Canagliflozin-Behandlung traten nicht auf.

Kommentar von Dr. med. Chrysoula PapastathiDas Besondere an diesem Fall war die bestehende Unterernährung mit Makronährstoffen in Kombination mit der fortgeschrittenen Niereninsuffizienz. Bis vor Kurzem waren GLP-1 Rezeptoragonisten die einzig mögliche Behandlung in diesem Stadium der Niereninsuffizienz. Dabei darf nicht vergessen werden, dass ältere Personen häufig an einer Protein-Energie-Unterernährung leiden, die sich mit anorexigen Substanzen verschlimmern kann. Die Nebenwirkungen der GLP-1 Rezeptoragonisten – Erbrechen und reduzierte Nahrungsaufnahme – hätten bei dieser Patientin die Nierenfunktion weiter verschlechtern können. Im vorliegenden Fall war zwar ein SGLT2-Inhibitor indiziert, jedoch bestand bisher keine Möglichkeit, einen solchen zu verschreiben. Sitagliptin besitzt zwar ein exzellentes Verträglichkeitsprofil, ist jedoch derzeit nicht die beste Behandlung. Da Canagliflozin vor Kurzem die Zulassung zur Verschreibung bei einer Niereninsuffizienz mit einem GFR-Wert von < 45 ml/min erhielt, konnte es bei dieser Patientin eingesetzt werden. Dadurch normalisierte sich der HbA1c-Wert, es kam zu einem Gewichtsverlust und die Mikroalbuminurie verbesserte sich.

Autor: Dr. med. Chrysoula Papastathi mit redaktioneller Unterstützung von Dr. rer. nat. Christin Döring, IACULIS GmbH. Das Copyright und die Verantwortung für den Inhalt des Patientenfalls liegen ausschliesslich beim Verfasser.

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